The Ambition – HipHop, Kultur und Werbung

Wie ich im Teaser zum Buch “Erfolgsformel Hip-Hop” schon erzählt habe, war ich letzte Woche in Düsseldorf bei The Ambition zu Gast, der neuen Agentur von Tobias “Toxik” Kargoll und Phillip Böndel. Beide haben sich ihre Sporen in Sachen Jugend- und Musikkultur HipHop in den letzten Jahren redlich verdient.

Zum Beispiel als Herausgeber und MasterChief bei HipHop.de, der Andere u.a. als Werber, Künstlermanager und einer Menge anderer Dinge in Sachen Musik-Business. Ein perfektes Duo eigentlich, um das Ganze Ding auf die nächste Ebene zu heben. Denn beide vereint dieses … “das war so gar nicht geplant, ist aber irgendwie passiert” – Attitüde. Wie gesagt, hier stand der Hustle und das Wachstum innerhalb der Szene vor dem Erfolg und dem, was ich letzten Freitag in Düsseldorf vorfand. Viel hierzu und über sich selber haben die beiden in ihrem Buch niedergschrieben, über das ich an dieser Stelle etwas mehr erzähle. Schaut gerne mal rein.

The Ambition HipHop

Foto: Patrick Styrnol

The Ambition? Aha!

Ich versuche es mal kurz zu machen: Bei The Ambition beraten die Jungs zusammen mit ihrem stetig wachsenden Team Firmen und Big Player aus der Industrie, wie man sein Produkt oder seine Dienstleistung in einen coolen und ehrlichen Kontext mit dieser bereits 40+ Jahre alten Jugend- und Musik- kultur zu bringen, ohne dabei ahnungslos oder plump zu wirken. Hierzu analysieren die Düsseldorfer die Zielgruppen ganz genau, stellen viele Fragen und betrachten das große Ganze. Am Ende dieser umfänglichen Beratung und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit steht das “Playbook”, welches jeder Kunde von Kargoll und Böndel erhält.

In diesem wird den Unternehmen (oftmals) viel Neues erzählt und Regeln an die Hand gegeben, nach denen sie spielen sollten, um HipHop ehrlich und mit Respekt abzubilden – aber kommerziell bestmöglich für sich zu nutzen. Nein, hier wird kein “Tanzen mit Detlef!” empfohlen, denn damit hat es bereits eine ganze Generation von Werbern und Beratern verkackt. Sorry, ist doch so. Oder wo genau habt ihr das letzte Mal gute Werbung mit einem nachvollziehbaren und (vielleicht sogar) coolen Ansatz im Kontext mit dem gesehen, was uns alle irgendwie miteinander verbindet.

Ein kurzer Abstecher in die Geschichte …

Der November ist Black History Month in den USA und sollte dies auch auf der ganzen Welt sein. Um den 12.11. eines jeden Jahres jährt sich zudem der Geburtstag der Zulu Nation, einer Organisation, die in der New Yorker Bronx als Reaktion auf die brutale Gewalt der Gangs untereinander und der sozialen Zustände entstand und die nach und nach das Positive aus den verfeindeten Gruppen herausholen sollte. Viele der Künstler, die wir heute als “Alte Schule” oder die “Architekten” der Kultur betiteln, waren zuvor entweder Teil dieser Gangkultur oder wussten zumindest mit ihrem Leben nicht wirklich etwas anzufangen. Massive Arbeitslosigkeit und Armut und ein verwahrlostes Umfeld erledigten den Rest. Darum ist es wichtig, dass wir immer wieder daran erinnern – ich als ehemaliger Chapter Leader und offiziellem Mitglied der Zulu Nation besonders – dass Hip-Hop nicht nur ein bisschen Rap im Radio ist, sondern etwas, dass schon seit 1973 da ist und vielen Menschen zu Sinn im Leben und einem positiven Mindset verholfen hat. Ich für meinen Teil würde sagen, dass ich einen Großteil der Werte, nach denen ich versuche, mein Leben zu leben und meine Kinder zu erziehen, aus dem gezogen habe, was wir heute noch lapidar Hip-Hop nennen.

Damals waren B-Boying, dem Normalbürger besser als Breakdance bekannt, Graffiti und die Kunstform mit einem Schallplattenspieler Musik zu kreieren, also das Turntablism, für mich neu und unglaublich inspirierend. All das gehört zusammen, denn all diese “Elemente” der Hip-Hop Kultur bildeten sich nach und nach aus der Idee, dass man dem ganzen einen Namen gibt und dass man die Gewalt, die Drogen und negatives Denken aus den Köpfen der Kids auf den Straßen der Bronx bekommt. Was auch sehr häufig gelungen ist. Bei den vielen Zulu Nation Anniversaries, also den Geburtstagsfeiern der Organisation selber in New York, bei denen ich anwesend war, gab es immer auch einen Moment, in dem viele Absolventen diverser Schulen und Universitäten auf die Bühne kamen, um sich zu bedanken. Ebenso trafen auf dieser Bühne Anwälte, Ärzte, Geschätsleute und glückliche Familienväter aufeinander, die das wahrscheinlich geworden wären, hätten sie nicht eine Alternative gehabt – damals in der Bronx.

Seit den 90ern entwickelt sich Hip-Hop und speziell die Rap-Musik so, wie wir es kennen. Adaptionen der Musik führen oftmals dazu, dass man sich nur an den Kopf fassen möchte. Die DJ-Kultur, Graffiti und auch der Tanz haben ebenfalls eine große Entwicklung hinter sich und können oftmals auch alleine – ohne direktem Bezug zu HipHop – begeistern und für sich stehen. Denn nicht jeder Graffiti-Künstler z.B. ist auch gleichzeitig HipHop-Fan. Dasselbe gilt für die DJs, die keinen Rap zum Mixen auflegen, sondern Dubstep, Elektro oder einen wilden Mix aus allem Guten. Viele Tänzer haben die klassischen B-Boy Moves drauf und respektieren das große Ganze, adaptieren aber die Stile und verändern sie. Was großartig ist.

Afrika Bambaataa mixt in seinen seltenen Live-Sets z.B. Künstler wie James Brown, The Prodigy, die alte Schule des Raps aus New York oder der Westküste mit dem was gerade angesagt ist, um dann mit Nina Simone, Nena, The Clash oder Adele zu enden. Ihr versteht den Ansatz? Man kann die Vorväter und deren Werte respektieren, Wichtiges oder Sinnvolles für sich übernehmen – aber man kann (und sollte) auch wachsen, Bekanntes adaptieren, Neues kreieren und immer wieder etwas Spannedes aus dem machen, was uns die Grundlagen gegeben hat. Das ist Hip-Hop.

Und hier kommt The Ambition ins Spiel, denn viele Unternehmen wollen einfach “nur mal was mit Hip-Hop” machen – und machen es nicht nur nicht richtig, sondern sich auch selber lächerlich.

Was die Düsseldorfer so besonders macht ist, dass man hier mit Künstlern und Persönlichkeiten zusammenarbeitet, die ihre Nischen und die ganze Szene wirklich kennen und Wert darauf legen, dass diese geschützt und mit Respekt behandelt werden. Menschen, die ein Teil des Ganzen sind oder einfach überall dabei waren und Knowledge weitergeben können. Mein Freund Hombre von den Stick Up Kids, verantwortlich für 85% meines Artworks und ich wurden ebenfalls in diese Liste von Menschen aufgenommen, die zum Thema HipHop im Allgemeinen und Graffiti bzw. Zulu Nation, Alte Schuhe und Schule, Internet oder #wasdaloswar im Speziellen etwas sagen können. Phillip und Tobias arbeiten also mit der Expertise derer, die es erlebt haben, die dabei waren, mit denen, die – ganz HipHop typisch – eine ganze Menge Leute kennen und Connections knüpfen können.

Each one – teach one!

Auf der einen Seite zeigt diese Form des Arbeitens, dass man in Düsseldorf wohl ehrlichen Respekt vor alledem hat und auch, dass man nicht denkt, man wisse alles und hätte die Weisheit und die Knowledge mit Löffeln gefressen. Denn oft kommen gute Kooperationen mit Künstlern gar nicht erst zustande oder werden am Ende mies, wenn eine Agentur oder ein Unternehmen ahnungslos mit der Brechstange a.k.a. Geld und Zeitdruck um die Ecke kommt – ohne zu wissen, was man eigentlich will.

The Ambition ist genau dafür da. Ein bisschen wie FUBU – for us by us! Aus der Szene heraus, für die Kultur. Die Beratung ist umfassend und am Ende stehen Empfehlungen und eine Strategie, die Unternehmen davor bewahren, planlos und albern zu wirken und – wie bereits erwähnt – die Protagonisten dieser Szene mit ins Boot zu holen. Außerdem hat man es mit Hoodie und Sneaker tragenden Dudes zu tun, die nicht krampfhaft im schicken Anzug und mit Rolex am Arm versuchen, zu zeigen, dass sie es drauf haben. Und ja, hier wird Geld mit HipHop verdient, also das betrieben, was seit den 90ern immer wieder lauthals als Sell-Out betitelt wird. Aber The Ambition hilft dabei, dass dieser “Sell-Out” so ehrlich und echt vonstatten geht, wie möglich. Denn auch ohne Phillip und Tobias würden die Unternehmen versuchen, ihr Vorhaben umzusetzen. Dann doch lieber mit einem Team wie dem, das sich gerade in Düsseldorf formiert.

Ich für meinen Teil wäre gerne direkt dort geblieben und hätte direkt einen der neuen Schreibtische im frisch renovierten Office besetzt, hätte gerne mit meinem Wissen, den Geschichten über Erlebtes, meinen Jobs und meiner ehrlichen Meinung, gebildet aus aktiven 25 Jahren als Teil der Hip-Hop Kultur einen Platz besetzt und irgendwie dazu beigetragen, das Ding noch besser zu machen. Ich glaube aber, das wird auch ohne mich Fanboy richtig gut, was die Jungs gerade gestartet haben – und wofür sie schon jetzt recht viel Aufmerksamkeit bekommen. Schauen wir mal.

Viel über ihre Arbeit und noch viel mehr haben die beiden in ihr gemeinsames Buch geschrieben, über das ich an dieser Stelle hier schon vorab berichtet habe.