Ich erinnere mich noch gut an diesen Moment: Es war Anfang der 2000er, einige Jahre nach dem Mord an Biggie. Ich war damals für mein Bachelor-Studium in München und habe dort als erster Redakteur für das damals wenige Jahre alte JUICE Magazin gearbeitet.

Im Rahmen dieses Jobs und der Tatsache, dass ich auch in München schnell HipHop related Anschluss fand und mit den guten Mädels und Jungs Zeit verbrachte, kam Eines zum Anderen. Backstage in der Münchener Olympiahalle, vor einem Konzert, das mehr einem Statement glich als einer Show. Dort stand er – Sean „Puffy“ Combs, heute weltbekannt als Diddy. Neben ihm, fast unscheinbar und doch sofort präsent: Jennifer Lopez. Die beiden waren zu diesem Zeitpunkt noch kein offizielles Paar. Mir wurde damals sehr deutlich gesagt, dass ich auf keinen Fall erwähnen dürfe, dass sie da war. Heute, knapp 25 Jahre später, wirkt diese Erinnerung wie ein kurzer Blick in eine andere Ära – in eine Zeit, in der HipHop endgültig begann, zur Konsumware und zum Produkt zu werden, aber auch die Welt endgültig zu übernehmen.

 

Und genau dieser Mann, der damals als Inbegriff von Erfolg, Glamour und Selbstbewusstsein galt, sitzt jetzt im Gefängnis. Gestern, am 3. Oktober 2025, wurde Diddy in New York zu 50 Monaten Haft – also gut vier Jahren und zwei Monaten – verurteilt. Dazu kommen eine Geldstrafe von 500.000 US-Dollar und fünf Jahre Bewährung nach der Haftzeit. Die zwölf Monate, die er bereits in Untersuchungshaft verbracht hat, werden angerechnet. Rein rechnerisch bleiben also rund drei Jahre Haft.

Der Prozess gegen Diddy lief seit Mai 2025 und war einer der aufsehenerregendsten Fälle der letzten Jahre – nicht nur, weil es um einen der einflussreichsten Produzenten der Musikgeschichte ging, sondern auch, weil die Anklagen so schwer wogen. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich wegen Menschenhandels, sexueller Ausbeutung, Gewalt und krimineller Verschwörung (Racketeering) ermittelt. Im Laufe des Verfahrens wurde Diddy aber nur in zwei Punkten schuldig gesprochen: dem Transport von Personen zur Ausübung von Prostitution über Staatsgrenzen hinweg – ein sogenannter Mann Act-Verstoß.

Die schwereren Anklagepunkte – etwa die Vorwürfe des Menschenhandels und der organisierten Kriminalität – konnten nicht zweifelsfrei bewiesen werden, weshalb die Jury ihn in diesen Fällen freisprach. Trotzdem war das Urteil ein Schock, besonders für diejenigen, die Diddy als Symbol einer Ära sehen, in der HipHop zur globalen Kultur wurde.

Während der Staatsanwalt 11 Jahre Haft forderte, plädierte die Verteidigung auf 14 Monate. Der Richter entschied sich schließlich für eine mittlere Linie. Er begründete die Strafe mit der „wiederholten Natur der Taten“ und der Tatsache, dass Diddy „Menschen benutzt habe, um Macht auszuüben“. Gleichzeitig betonte er, dass er ihn nicht für Taten bestrafen wolle, für die er freigesprochen wurde – eine Formulierung, die Diddys Anwälte sofort angriffen. Sie warfen dem Richter vor, „als 13. Geschworener“ gehandelt zu haben, und kündigten Berufung an.

Für viele Beobachter bleibt der Fall ambivalent. Auf der einen Seite steht ein Künstler, der mit Bad Boy Records HipHop und R&B neu definiert hat, der Karrieren von The Notorious B.I.G., Faith Evans, Mase und vielen anderen gestartet hat. Auf der anderen Seite steht der Geschäftsmann und Selbstdarsteller, der in den letzten Jahren zunehmend mit Gewalt- und Missbrauchsvorwürfen konfrontiert wurde – von ehemaligen Angestellten, Ex-Partnerinnen und Models.

Die Öffentlichkeit ist gespalten. Manche sehen in Diddy ein weiteres Beispiel dafür, dass Ruhm und Macht irgendwann korrumpieren. Andere empfinden die Strafe als Symbol dafür, dass auch Prominente nicht über dem Gesetz stehen. In den sozialen Medien laufen die Diskussionen heiß, viele Promis – darunter 50 Cent und einige frühere Weggefährten – reagierten sarkastisch oder distanziert.

Ich selbst empfinde bei all dem eine gewisse Traurigkeit. Nicht, weil Diddy keine Verantwortung tragen sollte, im Gegenteil – sondern, weil diese Geschichte so exemplarisch ist für einen Typus Künstler, der sich in seiner eigenen Größe verliert. Der Mann, den ich damals Backstage sah – charmant, höflich, völlig in Kontrolle – ist nicht mehr derselbe, der nun in einem grauen Overall in einem New Yorker Gefängnis sitzt.

Vielleicht ist das der härteste Absturz in der Geschichte des HipHop. Vielleicht auch einfach das unvermeidliche Ende einer Ära, in der Macht, Geld und Ruhm wichtiger waren als alles andere.

Was bleibt, sind die Musik, die Erinnerungen – und dieser eine Moment im Backstage von Puffy in München.

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